Politik
„Es geht Schlag auf Schlag, wir haben viel vor“
Wie sind die ersten Erfahrungen nach rund zwei Monaten rot-grüner Landesregierung?
Doskozil: Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Koalition im Burgenland ein besonderes Alleinstellungsmerkmal haben. Die ersten Wochen waren von einem Miteinander geprägt, das aus meiner Sicht einzigartig ist. Schon die Verhandlungen liefen völlig ohne taktische Spielchen – das war auf beiden Seiten so. Mit Anja Haider-Wallner klappt die Zusammenarbeit bestens, und auch unsere Teams arbeiten hervorragend zusammen. Die Basis stimmt jedenfalls, das gegenseitige Vertrauen und die gemeinsame Zielsetzung erlauben uns, den Fokus auf die Bevölkerung zu legen und die Ärmel hochzukrempeln.
Haider-Wallner: So habe ich das auch erlebt. Wir können Dinge offen und konstruktiv besprechen. Jetzt liegt es an uns, in den nächsten fünf Jahren die knapp 700 Maßnahmen, die wir in unserem gemeinsamen Regierungsprogramm festgeschrieben haben, auch umzusetzen. Die Art und Weise, wie wir im Burgenland miteinander umgehen und arbeiten, soll Vorbild für Österreich und darüber hinaus sein.
Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin, wie haben Sie die ersten Wochen in der neuen Rolle als Regierungspolitikerin erlebt?
Haider-Wallner: Es war jedenfalls ein spannender Prozess, innerhalb von nur zwei Wochen von der Oppositions- direkt auf die Regierungsbank zu wechseln. Wir haben binnen weniger Tage ein engagiertes Team zusammengestellt und dann direkt losgelegt. Die ersten Projekte haben wir bereits umgesetzt.
Wichtig war mir auch, die Mitarbeitenden in den Abteilungen des Hauses kennenzulernen. Die haben einen großen Anteil daran, was wir für die Menschen im Burgenland umsetzen können. Und unseren ersten Wasserschaden in der Büroküche haben wir auch schon hinter uns. Kurzum: Wir sind gut angekommen!
Herr Landeshauptmann, ist es nicht auch für die SPÖ eine große Umstellung, nach den Jahren der absoluten Mehrheit nun vieles mit einem Regierungspartner abzustimmen?
Doskozil: In der Politik geht es darum, Verantwortung für andere zu übernehmen. Es geht darum, das Beste für die Bevölkerung im Fokus zu haben und Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten – egal ob mit absoluter Mehrheit oder mit einem Regierungspartner. Die Grundfragen, die wir uns stellen, bleiben die gleichen: „Was braucht die Bevölkerung und wie können wir das leisten?“ Wir haben uns auch in den vergangenen
fünf Jahren mit konstruktiven Kräften im Land gerne abgestimmt, spontan fallen mir die Wirtschaftskammer, die Landwirtschaftskammer oder die Ärztekammer ein, je nach Themenlage. Das Miteinander macht das Burgenland aus, das werden wir auch in dieser Regierungsperiode mit unserem Regierungspartner in den Vordergrund stellen. Dass es hier und da einen Kompromiss braucht, ist klar. Wir haben mit absoluter Mehrheit viel für die Bevölkerung bewegt, und gemeinsam mit Anja und ihrem Team werden wir weiterhin viel umsetzen.
Ein ambitioniertes Ziel ist die Energieunabhängigkeit des Landes bis 2030. Wie wollen Sie sicherstellen, dass dieses Ziel tatsächlich erreicht wird?
Haider-Wallner: Solche ambitionierten Ziele lassen sich nur erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen. In der Landesregierung arbeiten wir alle gemeinsam an der „Klimastrategie Burgenland 2030“. Auch ein Expert:innenrat mit Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb unterstützt uns dabei. Wir haben eine Vielzahl an Maßnahmen geplant, etwa mit einer Photovoltaik-Offensive mit sozial gestaffelten Förderungen für PV-Anlagen und einer PV-Pflicht bei Gewerbeneubauten und -parkplätzen. Energieunabhängigkeit, Klimaneutralität – das ist ein großes Thema, ein Schwerpunkt der Arbeit in dieser Legislaturperiode. Sie haben vor nicht einmal sieben Wochen ein umfangreiches Regierungsprogramm präsentiert.
Was ist seither passiert?
Haider-Wallner: Schon wenige Wochen nach der Wahl haben wir einen Gesetzesentwurf zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien vorgelegt. Hier geht es darum, Genehmigungsverfahren für Wind, Photovoltaik und Wärmepumpen zu beschleunigen. Nächstes Ziel ist ein Klimaschutzgesetz, das wir noch vor dem Sommer präsentieren werden. Aber unser gemeinsamer „Zukunftsplan Burgenland 2030“ umfasst natürlich alle Bereiche. Es sind fast 700 Maßnahmen, die wir gemeinsam umsetzen wollen. Das geht klarerweise nicht von heute auf morgen. Tragfähige Maßnahmen, die das Leben der Menschen im Burgenland spürbar erleichtern, brauchen ein solides
Fundament. Das Regierungsprogramm ist deshalb auf fünf Jahre angelegt. Ich bin froh, dass wir in den ersten Wochen bereits in vielen Bereichen Projekte umsetzen konnten.
Was zum Beispiel?
Doskozil: Zum Beispiel treiben wir die Gesundheitsoffensive stetig voran. In der Klinik Oberwart konnten die ersten Patienten mit dem brandneuen Da-Vinci-Single-Port- Operationssystem erfolgreich operiert werden. Gemeinsam mit der Ärztekammer Burgenland stellen wir über den „Karl-Stix-Fonds“ allen burgenländischen Spitalsärzten ein
in Österreich einzigartiges Fortbildungspaket zur Verfügung. Wir haben zudem den offiziellen Auftakt für das Projekt „Tomorrow“ gegeben, das dem Land zu Energieunabhängigkeit und den Burgenländerinnen und Burgenländern zu Preisstabilität verhelfen und darüber hinaus die Finanzierung des Klinikneubaus in Gols sicherstellen wird.
Dazu kommen weitere Maßnahmen im Energie-, Sport-, Bildungs- und Tourismusbereich oder auch im Feuerwehrwesen.
Welche Maßnahmen sollen als Nächstes umgesetzt werden?
Haider-Wallner: Eine Ehrenamtsversicherung ist in konkreter Ausarbeitung, und Maßnahmen zum Bodenschutz sind bereits in Planung, etwa ein Entsiegelungswettbewerb. Wir arbeiten am Gesetzesentwurf zu einem eigenen Klimaschutzgesetz. Ein neues Baukulturgesetz soll unsere landestypische Baustruktur bewahren.
Doskozil: In nächster Zeit werden wir auch weiter unsere Kliniken ausbauen und neue Abteilungen wie die Neurochirurgie in der Klinik Oberwart oder die Geburtenstation in Oberpullendorf präsentieren. Mit der Wirtschaftskammer gemeinsam werden wir ein Internationalisierungscenter und drei überbetriebliche Lehrwerkstätten schaffen, auch das Angebot für Asylwerber zur gemeinnützigen Arbeit wird bald kommen. Es geht also Schlag auf Schlag, wir haben viel vor.