Kolumne

17. November 2022

Nachdenken – wo liegen die Probleme der Wissenschafterin, des Erfinders oder der Entwicklerin? Leider unterbrach uns der Nobelpreis von Anton Zeilinger – nochmals Gratulation!

 

Aus dem Tagebuch des Forschungskoordinators

Wissenschafter haben eine Idee, sie wurde im Labor realisiert, und die jeweilige Fachhochschule bzw. Universität hat einen Patentantrag gestellt. Aber was dann? Für den Wissenschafter sollte nun die Arbeit erledigt sein, um sich anderen wissenschaftlichen Problemen zu widmen.

Von der Idee zur Praxis

Tatsächlich möchte man die eigene Idee auch in der Anwendung sehen. Wäre es nicht schön, wenn der beobachtete Effekt ein Gerät verbessern könnte oder sogar ein neues Gerät entstehen würde? Die Erkenntnis könnte auch ein Zusammenhang sein, der für die Gesellschaft wichtig wäre, um unser Zusammenleben schöner gestalten zu können. Es braucht also einen Kontakt zu einer Firma oder einem Politiker, welche bereit sind, sich das Problem bzw. die Lösung anzuhören. Also was macht man? Man informiert die Presse – dann gibt es einen Artikel über die Lösung eines spannenden Problems und dann wird man von der Industrie angerufen und schon läuft’s. Die Tatsachen sehen anders aus. Erstens haben die Medien kein so großes Interesse, über Wissenschaft zu berichten. Tatsächlich haben nur ganz wenige Redaktionen überhaupt einen Redakteur, der sich der Wissenschaft annimmt. Meist muss dass jemand „mitmachen“ mit dem jeweiligen Engagement. Zweitens muss der Wissenschafter die Erkenntnisse und Möglichkeiten für die Medien aufbereiten. Das kostet Zeit und erfordert etwas Übung.

Wissenschaft und viel drum herum

Ich habe selbst einmal erlebt, wie mich ein Kollege gefragt hat, wie er seine Erkenntnisse in den Medien platzieren könnte. Ich fragte freundlich nach und bekam tolle Formeln über die Verteilung von speziellen Aerosolen in der Luft und deren Ausbreitung präsentiert. Der Kollege erklärte mir, dass er schon eine Presseaussendung gemacht, es aber nicht einmal eine Reaktion gegeben habe. Ich fragte kurz nach der Größe der Aerosole (kleine Teilchen in der Luft, kann Staub oder eine Flüssigkeit sein) und nach einer kurzen Recherche war die Strategie klar: Seine Aerosole hatten die Größe von Milzbrandbakterien. Damals gab es in den USA einige Drohbriefe mit Milzbranderregern.

Der Rest war Handwerk: eine neue Presseaussendung mit dem ungefähren Titel (ist schon etwas her) „Verteilung von Milzbrandbakterien an der Luft endlich berechenbar!“. Mit der Formel des Kollegen kann man natürlich mehr berechnen – aber das Interesse lag auf dem Fokus der Milzbrandbakterien. Der Kollege konnte sich vor Presseanfragen nicht mehr erwehren, Höhepunkt war ein Interview für CNN. Er war stolz und mit dieser Freude ging er in das nächste Projekt. Sie sehen das Problem: Es reicht nicht, eine tolle Wissenschafterin zu sein, man muss auch „den Markt beobachten“. Was interessiert die Menschen gerade? Leider hat man als Wissenschafter wenig Zeit für Marketing. Da braucht es Fachleute. Aber davon nächstes Mal mehr.