Kolumne
Zwei Kulturen – eine Verbindung
Herzlichkeit und Neugier
Nach über 15 Jahren in Österreich habe ich gelernt, dass die Integration ein kontinuierlicher Prozess ist, der mit jedem weiteren Tag neue Facetten und Herausforderungen mit sich bringt. Wenn ihr mich fragt, was die Leute zuerst im Gespräch mit mir bemerken, ist es ohne Zweifel mein Akzent. Auch nach all den Jahren merken die Menschen sofort, dass ich nicht aus Österreich stamme. Oft sprechen sie langsamer mit mir, oder versuchen Sätze simpler zu formulieren. „Kann‘s sein, dass du jetzt sehr langsam sprichst? Ich verstehe alles, du kannst normal reden!“ - antworte ich dann.
Die Burgenländer sind bekannt für ihre Herzlichkeit, und ich habe das immer wieder erlebt. Die Menschen hier sind neugierig und interessiert, aber auf eine sehr respektvolle Weise. Sie möchten wissen, wie es in Paraguay ist, welche Bräuche wir haben und was mich dazu bewogen hat, hierher zu ziehen.
Ein altbekanntes Gefühl
Als ich vor einigen Jahren von Paraguay ins Burgenland zog, dachte ich, ich hätte das „Heimweh“ hinter mir gelassen. Doch wie sich herausstellte, war das nicht so leicht abzuschütteln. Es schlich sich leise und unbemerkt wieder in mein Leben, und heute ist es präsenter denn je. Wenn ich mit meiner Oma telefoniere, wird diese Sehnsucht besonders stark. Meine Oma hat Alzheimer bekommen, und es geht ihr leider nicht so gut. Besonders wenn wir uns über Video anrufen und sie mir plötzlich die Frage stellt: „Wer bist du?“ In diesen Momenten spüre ich den Schmerz der Distanz.
Doch ich habe gelernt, dass ich mich auf die positiven Erinnerungen konzentrieren kann. Ich entscheide mich dafür, die guten Zeiten mit meiner Oma in meinem Herzen zu bewahren und die wertvollen Momente zu schätzen, die wir in der Vergangenheit geteilt haben.
Pünktlichkeit mit einem Augenzwinkern
Kommen wir zum nächsten Punkt: die Pünktlichkeit. In Paraguay ist es vollkommen normal, wenn man eine halbe Stunde später zu einem Treffen kommt. Hier in Österreich ist das eine ganz andere Sache! Als wir zu meinem ersten Dreikönigsfest in Wien eingeladen wurden, dachten wir uns: „Wir werden auf jeden Fall pünktlich sein.“ So waren wir um 15 Uhr am Start – nur um festzustellen, dass wir die einzigen Personen waren, die an diesem Tag pünktlich waren. Denn das Fest wurde organisiert von einer Lateinamerikanischen Community und so stammten die meisten Gäste aus Südamerika und kamen erst gegen 17/18 Uhr.
Traditionen leben
Ich habe in letzter Zeit die Oktoberfeste in Pöttsching, Bad Sauerbrunn, Wiesen, Neudörfl und Hirm besucht. Und ja, ich habe jedes Mal ein Dirndl getragen!
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich das erste Mal in ein Dirndl schlüpfte – ich fühlte mich wie eine Königin! Es war mehr als nur ein Kleid, es war ein Symbol für die Zugehörigkeit und die Wertschätzung der Traditionen, die hier so lebendig sind. Es ist lustig, denn in Paraguay werde ich als Ausländerin betrachtet, weil ich so lange in Österreich lebe, und hier bin ich ebenfalls eine Ausländerin. Diese doppelte Identität kann verwirrend sein, aber sie hat mir eine wichtige Lektion gelehrt: Heimat ist nicht unbedingt ein geografischer Ort. Heimat ist dort, wo man sich wohlfühlt, wo man geliebt und akzeptiert wird.
Paraguay hat mir meine Wurzeln gegeben, und das Burgenland hat mir die Freiheit gegeben, mich zu entfalten. Oft denke ich daran, wie spannend es ist, zwei Kulturen in mir zu tragen. Paraguay und das Burgenland – eine Verbindung, die mich stark macht. Ich bringe die Leidenschaft und das Temperament meiner Heimat mit, während ich gleichzeitig die Gelassenheit und die Herzlichkeit des Burgenlands in mein Herz schließe.
Ich bin dankbar für all die Menschen, die mir die Tür zu ihre Kultur geöffnet haben. Ich hoffe, ihr seid weiterhin neugierig auf meine Geschichten.
Bis zum nächsten Mal, liebe Leserinnen und Leser!
Saludos,
Alejandra