Kultur
Alle lieben Charlie
„Servus Charlie, wie geht’s? Trinkst einen Kaffee?“ Einladungen wie diese hört Karl Marik oft auf seiner Tour durchs Nordburgenland. Die Menschen lieben den Wiener, der seit 1967 als Zeitungskolporteur die Neuigkeiten aus aller Welt liefert. „Anfangs verkaufte ich nur den Express, dann die Krone, ab den 1970er Jahren auch immer mehr Illustrierte. Meine erste Anlaufstelle ist immer Müllendorf, meine letzte Oggau,“ erzählt Marik aus dem Berufsalltag des letzten fahrenden Zeitungskolporteurs im Burgenland.
120 Stationen in einer Nacht
Eine durchschnittliche Tour beginnt um 17 Uhr und endet nie vor 23 Uhr. 200 Kilometer fährt er an einem Abend. Früher hatte Marik pro Nacht 120 Stationen, jetzt sind es ca. 80. „Damals bin ich jeden Tag gefahren, jetzt drei Tage in der Woche“. Viereinhalb Millionen Kilometer hat Marik in den 56 Jahren als Kolporteur heruntergespult, 30 Autos hat er dabei verbraucht.
„Den 5. September 1970 werde ich nie vergessen. Damals ist der österreichische Formel-1 Pilot Jochen Rindt beim Training in Monza tödlich verunglückt. Der Unfall passierte um 14 Uhr. Um 17 Uhr hatten wir die Tragödie auf der Titelseite und ich bin losgefahren. An diesem Tag habe ich 1400 Zeitungen verkauft.“ Ein Rekord für die Ewigkeit. Er selbst hatte im Straßenverkehr mehr Glück.
„Am 1. August 1976 bin ich um 5 Uhr früh als einer der letzten über die alte Reichsbrücke gefahren. Minuten später ist sie eingestürzt."
Marketinggenie
„1969 bin ich im Leithagebirge mit dem Auto im Schneegestöber steckengeblieben und musste zu Fuß nach Donnerskirchen, wo ich um zwei Uhr früh einen Mann aufgeweckt habe. Der hat mich zum Glück gekannt“. Karl Mariks Popularität im Nordburgenland ist unglaublich. Sie kommt nicht von ungefähr. Marik ist ein Marketinggenie. Schon in den 70er Jahren ließ er sich von Pepino Teuschler einen Mantel schneidern. Im Kino gab es Werbespots für ihn mit dem Titel „Alle lieben Charlie“. „Einmal ließ ich 200 Plakate mit meinem Bild drucken und durfte sie in allen Lokalen aufhängen,“ grinst Charlie. Probleme hatte er in den 56 Jahren mit den Menschen nie. Im Gegenteil: „Ich habe so manche Rauferei geschlichtet“. Karl Marik ist eine Autorität. Mit seinem Humor hat er die Herzen der Burgenländer erobert. Sehr beliebt bei seinen Stammkunden ist das Spiel doppelt oder nix. „Ich werfe eine Münze. Wenn der Kunde das Symbol errät, bekommt er die Zeitung gratis. Wenn nicht, zahlt er doppelt“. Geworfen wird mit einer Zehnschillingmünze aus dem Jahr 1967.
Nebenjob
Marik hat in den letzten 56 Jahren erlebt, wie sich das Burgenland verändert hat. „Der Aufschwung ist schon enorm, die Lebensqualität hat sich extrem verbessert. Das sind jetzt andere Zeiten“. Der gelernte Textilhandels-Kaufmann arbeitete 30 Jahre quasi im Nebenjob von 8-16 Uhr im Vertrieb einer Textilfirma im 1. Bezirk. Danach ging es auf Tour ins Burgenland. Wie lange er es noch machen wird? „Es wird mir abgehen. Für mich ist das keine Arbeit, es ist wie ausgehen. Wenn ich an Aufhören denke, werde ich jetzt schon wehmütig.“