Heute

Der Mann mit den starken Nerven

Für viele ist er ein Held, obwohl er den Begriff gar nicht mag. Militärarzt Dr. Stefan Schachner aus Sieggraben hat einem Syrer durch eine Arm-Amputation in der Erdbeben-Trümmerhölle von Hatay das Leben gerettet. Wie er den Einsatz erlebt hat und wie er es 56 Stunden ohne Schlaf ausgehalten hat, verrät der sportliche 47-jährige Mediziner im „Mein Burgenland-Interview“.

Text: Martin Hollweck

Dr. Stefan Schachner im Einsatz nach dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet

Wie ist dieser spezielle Einsatz, wo Sie einem Verschütteten durch eine Armamputation das Leben gerettet haben, abgelaufen?

Dr. Schachner: Es ging Schlag auf Schlag. Ich hatte mit unserem Sani-Pinzgauer in der uns zugeteilten Zone Stellung bezogen, als mich mein Kollege anrief und mir sagte: „Stefan, du musst mir helfen“. Ich bin sofort zu ihm und habe mir ein Bild von der Lage gemacht. Es war sehr schwierig, zu dem Verletzten vorzudringen. Allein der Geruch in den zerstörten Häusern ist nicht zu beschreiben. Als ich gesehen habe, dass die Betondecke am Oberarm lag und der Oberkörper frei war, entschloss ich mich zur Amputation. Ich konnte mich mit dem Mann verständigen, durch meine Auslandseinsätze spreche ich auch etwas arabisch. Der Eingriff war kurz, nach drei Minuten konnten mein Kollege und ich den Mann aus den Trümmern bergen und den Sanitätern übergeben.

Wir ging es Ihnen danach?

Die Menschen sind auf mich zugelaufen, haben mich umarmt und sich bei mir bedankt. Und dann ging es schon weiter zum nächsten Einsatz. Am Abend konnten wir noch einen 47-jährigen Mann und seine 14-jährige Tochter bergen. Ich habe 56 Stunden nicht geschlafen. Man ist aber voller Adrenalin, dass man das aushält. Insgesamt hat die österreichische Einheit 9 Menschen gerettet. Am Abend hat dann auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen angerufen, um sich zu bedanken.

Wie ist es überhaupt zu dem Einsatz gekommen?

Dr. Schachner: Eigentlich habe ich drei Tage vor dem Beben einen neuen Vertrag bekommen, wonach ich nicht mehr zu Auslandseinsätzen ausrücken muss. Dann kam das Beben. Mir war klar: Wenn ich da runtergehe, wird das ein Einsatz wie kein anderer. Es war genau das gefragt, wofür ich als Militärchirurg ausgebildet wurde. Meine vier Kinder haben kurz beraten und dann gesagt: „Papa, die brauchen dich, du musst da hin gehen“. Auch meine Frau hat dann schweren Herzens zugestimmt. Der Abschied war nicht leicht.

Wie fühlt es sich an, wenn man von anderen Menschen als Held gesehen wird?

Dr. Schachner: Ich fühle mich nicht als Held. Ich bin dafür ausgebildet und habe dementsprechend gehandelt. Es stimmt schon: Man riskiert sein eigenes Leben, um anderen zu helfen. Aber das macht jeder Feuerwehrmann bei einem gefährlichen Einsatz auch.

Stichwort Feuerwehr: Sie sind auch Feuerwehrarzt des Burgenland. Was gefällt Ihnen an der Feuerwehr?

Dr. Schachner: Sie ist wichtig für das Leben im Ort. Es bilden sich Freundschaften, jeder bringt sich ein. Die Feuerwehr ist eine coole Sache.

Sie gelten als sehr umtriebig. Haben Sie noch ein anderes Hobby?

Dr. Schachner: Ja, ich bin passionierter Jäger. Im Wald kann ich entspannen und nachdenken, das ist wie eine Therapie für mich.

Ohne meine Frau und meine Kinder würde das alles nicht gehen.

Sie sind ja gebürtiger Niederösterreicher. Warum sind Sie ins Burgenland übersiedelt?

Dr. Schachner: Der Liebe wegen. Das war die beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe. Ohne meine Frau und meine Kinder würde das alles nicht gehen. Sie sind der große Rückhalt für mich.

Was gefällt Ihnen am Burgenland?

Dr. Schachner: Die Luft, die Landschaft und der Wein (lacht)…und nicht zuletzt die Menschen. Ich schätze sehr den offenen Zugang und das miteinander, das hier gelebt wird.

Hauptberuflich ist Dr. Stefan Schachner Chirurg im Wiener Sanitätszentrum Ost und Chef der allgemeinen Chirurgie im militärisch-medizinischen Zentrum in Stammersdorf.