Produkt des Monats

Wer die Bohnen nicht ehrt

Die Bohne war über Jahrhunderte das Weißbrot Burgenländer. Nur viel gesünder

Wer heute an burgenländische Spezialitäten denkt, dem fallen wahrscheinlich schnell Weidegänse und Mangalitza-Schweine ein, feine Neusiedler-See-Fische und edler Wein. Dabei war sehr lange Zeit eine viel bescheidenere Zutat typischer für das arme Land: die Bohne. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Bohnen über Jahrhunderte das Überleben der Burgenländer sicherten. Sie waren die wichtigste Eiweißquelle der meisten Menschen, in einer Zeit, in der Fleisch eine Besonderheit war. Mindestens zwei Mal die Woche, erinnern sich die alten Leute noch, kamen in ihrer Kindheit Bohnen auf den Tisch. Die deutschen Bauern Soprons wurden wegen ihrer Liebe zur Hülsenfrucht von den Ungarn mitunter sogar „poncichter“, Bohnenzüchter, genannt – bis heute trägt ein Stadtteil von Sopron diesen Namen.

Mehr als 80 Bohnensorten

In den Weinbaugebieten waren Bohnen oft ein Teil der Weinbau-Mischkultur, ganz ähnlich wie die Pfirsiche oder die Kirschen. Die Büsche wurden zwischen den Weinstöcken angebaut und bereits kurz nach der Sommersonnenwende, zu Johanni am 24. Juni, abgeerntet. Die ganze Pflanze wurde abgeschnitten und verkehrt herum zum Trocknen an die Weinstöcke gehängt. Einmal getrocknet, wurden die Schoten gepflückt, in Leinensäcke gepackt und die Bohnen gedroschen. In Säcken oder Tüchern aufgehängt (zum Schutz vor Mäusen), hielten sie sich leicht mehrere Jahre. Heute werden auch im Burgenland vor allem Käferbohnen angebaut, einst war die Vielfalt aber viel größer. Wer sich dafür interessiert, besucht am besten Roland Pöttschacher in Loipersbach, der dort mehr als 80 (!) Bohnensorten anbaut, darunter auch alte, fast verschwundene Varianten wie die Rindsuppenbohne oder die
Heanzbohne, und sich sehr darum bemüht, die alte burgenländische Bohnenkultur zu fördern.

Am Markt von Sopron

Man könnte leicht ein eigenes Buch füllen mit all den burgenländischen Bohnenrezepten: klassischer Bohnensterz, Rostbratlbohnen (eine Art Bohnengulasch mit Paprika), Bohnenritschert (eingebrannte Bohnen) oder Baoschoadl, ein aus gebratenen Fisolen, Speck, Zwiebeln, Knoblauch und jeder Menge Pfeffer zubereitetes Gericht. Und es wäre nicht das Burgenland, wenn die Bohne nicht auch in Strudel gefüllt werden würde. Traditionsbewusste Köche nehmen für ihren Bohnenstrudel nur weiße Buschbohnen, eine Bohnenart, die einst weit verbreitet war, aber heute selten geworden ist. Am Markt von Sopron ist sie immer noch zuverlässig zu bekommen. Das folgende Rezept stammt von Maria Rüssel aus Purbach. Sie hilft uns jedes Jahr beim Sautanz beim Darmputzen, weil sie eine der Letzten ist, die diese schwierige Arbeit noch beherrschen. Sie ist außerdem in ganz Purbach für ihren Bohnenstrudel bekannt, den sie gern in Schmalz bäckt – ein herrlich befriedigendes, wohligüppiges Winteressen. Übrigens: Dieses und viele andere
klassische burgenländische Rezepte finden Sie in meinem Buch „Wie schmeckt das Burgenland?“, aus dem auch das Foto stammt.

Frau Rüssels
gebackener Bohnenstrudel

So geht´s:

Vorbereitung: Am Vortag die Bohnen in einer großen Schüssel mit kaltem Wasser bedecken und über Nacht einweichen. Für den Teig Wasser, Mehl und Salz gut zu einem Teig verkneten, dann mit Öl bestreichen und mindestens eine halbe Stunde rasten lassen.

Für die Füllung: Das Einweichwasser von den Bohnen abgießen. In einen Topf geben, mit frischem Wasser bedecken und etwa 45 Minuten weich kochen. Abgießen, das Bohnenkochwasser für später aufheben. Die Semmeln klein schneiden. Die Zwiebeln in Streifen schneiden und in Schmalz gut anrösten. Mit Majoran, ordentlich Salz und Pfeffer würzen. Die Semmeln zugeben und einige weitere Minuten rösten. Die gekochten Bohnen daruntermischen, die Pfanne von der Hitze nehmen und die Masse etwas auskühlen lassen. Strudelteig auf einem bemehlten Tuch fein ausziehen und in der Mitte über die ganze Länge die Bohnen- Semmel- Mischung darauf verteilen. Mit einem Messer längs in der Mitte der Füllung durchschneiden und zwei Strudel rollen. Die Strudel in etwa 10 cm lange Stücke schneiden und an den offenen Enden zusammendrücken. In heißem Schmalz goldbraun backen. Mit grünem Salat, Essiggurkerln oder Essigkren (gehackte Zwiebeln, gehackte gekochte Eiern, Essig und Kren) servieren.