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Wie das Burgenland komplett wurde

Zum Jahreswechsel 1921/22 kam das Burgenland zu Österreich. Die letzten Gemeinden folgten aber erst 1923.

Planmäßig hätte die Grenze zwischen Österreich und Ungarn mitten durch den gemeinsamen Friedhof von Luising und Hagensdorf verlaufen sollen. Nach einer Entscheidung der Grenzfestsetzungskommission des Völkerbundes kam Luising aber im Jänner 1923 doch noch zu Österreich. © ZVG

Grenzen zwischen Ländern und Nationen sind gefrorene Geschichte. Wenn diese Geschichte auftaut, das wissen wir, dann verheißt das zumeist nichts Gutes. Das haben wir in Europa besondersdeutlich in den zwei Weltkriegen gesehen. Aber auch in den 1990er-Jahren in den Balkan-Kriegen. Und wir sehen es heute in seinem ganzen Schrecken in der Ukraine.  Wie sehr Grenzen die Entwicklung eines Landes beeinflussen können, wissen gerade auch die Burgenländerinnen und Burgenländer. Vor allem die älteren unter ihnen. Nach dem Ersten Weltkrieg, als das König- und Kaiserreich der Habsburger zerfiel, stellte sich im damals noch westungarischen Burgenland die Grenzfrage neu. Das Burgenland wurde in den Friedensverträgen nach dem Ersten Weltkrieg der Republik Österreich zugesprochen, doch Ungarns Widerstand gegen diese Gebietsabtretung war groß.

Bewaffneter Widerstand

Schließlich gab Budapest aber auf Druck der alliierten Siegermächte scheinbar nach. Als Datum für die Übergabe wurde der 28. August 1921 festgelegt. Ein rund 2.000 Mann starkes rot-weiß-rotes Gendarmerie-Kontingent stieß beim vereinbarten Einmarsch allerdings auf bewaffneten Widerstand ungarischer Milizen – und zog sich wieder zurück. Erst im Herbst 1921 kam es zu einer Kompromisslösung: Die bewaffneten ungarischen Einheiten zogen ab, Österreich stimmte im Gegenzug einer Volksabstimmung in Ödenburg und acht benachbarten Gemeinden zu. Im Dezember 1921 wurde unter bis heute fragwürdigen Umständen abgestimmt. Das offizielle Ergebnis: 72,8 Prozent waren in Ödenburg für einen Verbleib bei Ungarn. Die anderen acht Gemeinden stimmten einen Tag später mit 54,6 Prozent für Österreich, fielen aber im Rahmen der Gesamtabstimmung an Ungarn. Um die Jahreswende 1921/22 kam das Burgenland dann ohne dieses verlorene Gebiet zu Österreich. Doch auch damit waren noch nicht alle offenen Grenzfragen geklärt. Bei vielen Gemeinden entlang der neuen Staatsgrenze gab es nach wie vor ganz unterschiedliche Auffassungen, ob sie nun zu Österreich oder zu Ungarn gehören sollten.

Genaue Karten erst ab 1924

Die Grenzfestsetzungskommission des Völkerbundes nahm sich schließlich dieses Problems an, woraufhin noch mehrere Gemeinden zwischen Österreich und Ungarn hin und her getauscht wurden. Eine der letzten Gemeinden, die faktisch an Österreich übergeben wurde, war am 10. Jänner 2023 Luising, heute Teil der Gemeinde Heiligenbrunn im Bezirk Güssing. Aber auch Schandorf im Bezirk Oberwart kam nach Beschluss der Grenzfestsetzungskommission erst am 10. Jänner 1923 neu zu Österreich (obwohl die Bevölkerung 1921 klar für Ungarn votiert hatte).

 

Zwei Monate später fielen noch

Liebing und Rattersdorf im Bezirk Oberpullendorf ans Burgenland, aber diese Orte lagen schon vorher auf der österreichischen Seite der entmilitarisierten Grenzzone.
Formal beendet wurde die Grenzziehung zwischen Österreich und Ungarn erst im August 1924, als die letzte Sitzung der Grenzkommission stattfand und ein genaues Kartenwerk vorgelegt wurde.