Kolumne

Der Erste seiner Art

„Um genau zu sein, lieber Wirt“, sprang der blaurote Methusalem in den Redefluss, „Robert Henry Louis Davy.“ Er war nicht einfach so erster burgenländischer Landeshauptmann. Er war, gewissermaßen, erst der Schöpfer dieses westpannonischen Landstrichs als Teil Österreichs.

Unlängst ist der Wirt ins Politisieren gekommen. Das passiert ihm immer wieder. Aber doch nie auf jene Art, vor der wir uns alle fürchten. Dem Wirt geht es mehr um die Tiefe der Jahre. Er ist ein leidenschaftlicher Historiker. Und als es ihn vor Kurzem ins Eisenstädter Landhaus verschlagen hat – weiß der Kuckuck, was er dort zu suchen gehabt hat – entdeckte er die Galerie gewesener Landeshauptmänner im Wandelgang vorm großen Sitzungssaal. An dem einen Ende fand er Hans Niessl, den Wohlbekannten. Am anderen aber einen, den sogar der Wirt nicht gekannt hat. „Robert Davy mit Namen.“

„Um genau zu sein, lieber Wirt“, sprang der blaurote Methusalem in den Redefluss, „Robert Henry Louis Davy.“ Er war nicht einfach so erster burgenländischer Landeshauptmann. Er war, gewissermaßen, erst der Schöpfer dieses westpannonischen Landstrichs als Teil Österreichs. Mit ruhiger Juristenhand hat Davy das Burgenland aus Ungarn herausgeführt. Er selber kam 1867 – es war das Jahr des österreichisch-ungarischen Ausgleichs und somit Geburtsjahr der k. u. k. Monarchie – als Sohn eines schottischen Eisenbahningenieurs und einer jüdischen Berliner Mutter in Königsberg zur Welt, dem heute russischen Kaliningrad.

Der alte Kaiser kaperte ihn 1891 von den Preußen. Er schickte ihn als Verwaltungsjurist in die böhmisch-schlesische Landesregierung nach Troppau, dem heute tschechischen Opava. Schon drei Jahre später aber war Davy im Innenministerium in Wien, wurde dort 1904 Sektionschef, 1909 Ministerialrat. Ab 1911 leitete er die Kommission zur Förderung der Verwaltungsreform. „Die war so erfolgreich“, erklärte, ein bisschen hämisch, der Ältere der beiden Jakobiner, „dass sie noch heute tagt.“ Einen solchen Verwaltungsjuristen ließ auch die republikanische Regierung nicht in Pension gehen. Sie machte Davy zum Landesverwalter des erst im Werden begriffenen Burgenlandes. In Sauerbrunn – noch war ja von Eisenstadt mehr als Kismarton, Kleinmartin die Rede – bezog er nach dem Anschluss Quartier. Im März 1922 zog er sich zurück, zwei Jahr später starb er. „Ha!“, rief der blaurote Methusalem, bevor der wegen seiner G’scheitheit Siebener Genannte das Wort ergreifen konnte, „das ist aber längst noch nicht alles.“ Über seine Mutter, Floretta Marie Bensemann, war er auch ein Cousin von Walther Bensemann. „Der hat sich nicht nur mit der Gründung der bis heute so renommierten Zeitschrift Kicker um den deutschen und europäischen Fußball verdient gemacht.“

„Sein Enkel aber“, so der jüngere Jakobiner, „hieß – mag sein, dem Kickergründer zu Ehren – Walter.“ Der spätere Regisseur, TV-Produzent und Schauspieler verlor im zweiten Weltkrieg sein rechtes Bein. Was Walter Davy aber nicht daran hinderte, als Dezernatsleiter Paul Schremser ins allgemeine Gedächtnis einzugehen, der dem Major Kottan auf Krücken so eindrucksvoll trocken zur Hand ging.

 

Eine Kolumne von Wolfgang Weisgram