Kolumne

Lajt ausrichten

Ein Lieblingsthema am pannonischen Stammtisch: Wer hier wie und warum die Pannonier sind. Diesmal: Esterházy oder Sarközi?

Unlängst hat der Wirt jene Frage aufgeworfen, die uns immer wieder beschäftigt: Was warum das Pannonische an Pannonien ausmacht. „Die Landschaft? Die Leibspeisen? Das besondere Licht? Die speziellen Lustbarkeiten? Oder doch d’Lajt?“ Schnell einigten wir uns darauf, dass es die Leute sind. Womit sich – so ist eben die Philosophie und die Wirtshausphilosophie besonders – die Frage nach Henne und Ei ergab: Machen die Pannonier aus dem Landstrich erst Pannonien oder macht umgekehrt das pannonische Land aus normalen Menschen – Hunnen, Goten, Awaren, Magyaren und so weiter – Pannonier? „Machen wir’s einfacher“, sagte der Wirt, „welchen Menschen haltet ihr für ein besonders gelungenes pannonisches Exemplar? Ganz spontan. Überlegt’s nicht lange.“ Während der wegen seiner G’scheitheit so genannte Siebener noch überlegte, schoss es aus dem jüngeren der beiden Jakobiner wie aus einer Pistole: „Esterházy!“ Eh nicht der aus dem Fürstenhaus, „der heißt ja jetzt ohnehin anders“. Sondern der von den Grafen: „Zum erlesenen Pannonien gehört unbedingt Péter Esterházy.“ Der große ungarische Dichter starb 2016 mit erst 66 Jahren. Der ältere Jakobiner, ein besonders Belesener, stimmte zu, ergänzte aber: „Wir dürfen keineswegs seinen jüngeren Bruder vergessen. Márton heißt er.“ Er war einer der herausragendsten Fußballspieler, Teil der großen ungarischen 1986er-Mannschaft.

Die hat sich – „ihr erinnert euch doch?“ – gegen Österreich für die WM in Mexiko qualifiziert. Im Rapidstadion, „damals noch Weststadion“, haben sie 3:0 gewonnen. „Es war aber wie ein Heimspiel für Ungarn, Hunderte Busse kamen über die noch Eiserne Grenze. Viele sagen, an diesem 17. April 1985 hat begonnen, was wir heute die Wende nennen.“ Ein gerade für Pannonien entscheidendes Datum also. „Meine Herren“, ergriff nun der blaurote Methusalem das Wort, „ich hätte einen anderen Vorschlag: Professor Rudolf Sarközi.“ Eine kleine Gestalt, aber eine imposante Erscheinung. Einer, der mit allen Großkopferten auf Du und Du stand. „Ich würd’ gern sagen: Er ist einer von uns geblieben. Aber das trifft es nicht ganz.“ Sarközi habe ja erst einer von uns, die wir die Seinen nie in unserer Mitte haben wollten, werden müssen. „Das war seine große Tat: Er hat die Volksgruppe der Roma vom Rand in die Mitte geführt.“ Da war er, no na, nicht allein. Aber Rudolf Sarközi, geboren 1944 im „Zigeunerlager“ von Lackenbach, gestorben 2016 in Wien, war das Gesicht dazu. Und als Chef des Roma-Kulturvereins die unermüdlich treibende Kraft. „Und du, Siebener, was würdest du sagen?“ Wie aus Gedanken gerissen und ganz entgegen seiner Gewohnheit erwiderte der: „Ach, was soll ich schon sagen?“ Das aber war so ungewöhnlich, dass der Jakobiner dem Wirt den allzeit gültigen Fingerzeig gab und wir, erstmals, dem Siebener zuprosteten. Ermunternd beinahe.

 

Eine Kolumne von Wolfgang Weisgram