Kolumne

Pannonisch benamsen

Pannonische Ortsnamen zirpen oft wie Vögel. Entsprechend ornithologisch sind manchmal die dazugehörigen Assoziationen. 

Unlängst erzählte die Wirtin, dass und warum sie Preßburg besucht habe. Sie hob an mit diesen Worten: „Unlängst war ich in Bratislava.“ Noch bevor sie beginnen konnte, die Vorzüge dieser schönen Stadt zu preisen, fragte sie der jüngere der zwei Jakobiner, warum sie denn stets Bratislava sage, wenn sie doch eh von Preßburg rede. Sie verstand die Frage nicht. Aber das war dann schon ein Teil der Antwort. Und so wurde, wieder einmal, ein fester Gesprächsfaden geknüpft zwischen Schank und Tisch. Wie es sich eben gehört in der Tratschecke des Wirtshauses. Die Benamsung pannonischer Städte ist immer wieder ein besonderer Tratschinhalt.

Nicht nur, dass die pannonische Vielsprachigkeit zwischen Apetlon und Apatin wunderbare Blüten hervorgebracht hat. Zu manchen Zeiten war die Verwendung des einen oder anderen Namens fast wie ein Bekenntnis. Wer, zum Beispiel nur, Preßburg sagte statt Bratislava, galt taxfrei als Revanchist. Agram zu sagen und nicht Zagreb galt bis hinauf nach Laibach als jugoslawische Fahnenfrage. „Dagegen sind unsere heutigen Korrektheitsvorschriften fast ein Lercherlschas“, hob der ältere Jakobiner die Beobachtung auf ein beinahe ornithologisches Niveau. „Am schönsten“, mischte sich nun der blaurote Methusalem ein, bevor der wegen seiner G’scheitheit Siebener Genannte das tun hätte können, „lässt sich dies an Preßburg zeigen. An Bratislava, wie die Wirtin zu sagen beliebt.“ Also an Pozsony, wie der Ödenburger Feri meint, der hin und wieder vorbeischaut. Immerhin war dieses Pozsony einst Hauptstadt des Ungarlandes. Die Slowaken hießen sie unverdrossen und bedenkenlos: Prešporok. Erst als nach dem Ersten Weltkrieg die Verhältnisse so ins Heutige durcheinander gerieten, brauchte die Stadt, die dem als „Vierburgenland“ heraufdämmernden Burgenland als vierte „Burg“ dienen sollte und um die Tschechen und Ungarn stritten, einen ganz anderen Namen. Im Februar 1919 taufte man auf tschechoslowakischer Seite Prešporok um auf Bratislav.

Da war aber erst recht kein Fried’. Denn die Endsilbe „-av“ klang den Slowaken ein bisserl zu tschechisch. Und also wurde im März 1919 der neue Name – Bratislava – verkündet; im Amtsblatt, das freilich immer noch unter Prešporok firmierte. Von Kriegsende bis in diesen März trug die schöne Stadt kurzzeitig noch einen weiteren Namen. „Um den ist’s wirklich ewig schad“, meinte der Blaurote. Denn Bratislava, Pozsony, Preßburg hieß damals Wilsonovo mesto, Wilsonstadt; benannt nach dem US-Präsidenten Woodrow Wilson. Der hatte den Völkern das Selbstbestimmungsrecht versprochen. Das war ein etwas naives, jedenfalls voreiliges Versprechen. Aber immerhin eines, das bis heute hilft, den Gesprächsfaden immer wieder fest zu knüpfen zwischen Schank und Tisch.

 

Eine Kolumne von Wolfgang Weisgram