Kolumne

Pannonisch g’schimpft

Dass die ungarischen Kellnerinnen und Kellner gut deutsch sprechen, weiß man ja. Aber allmählich sickern auch wieder ungarische und kroatische Wendungen in die deutsche Umgangssprache

 

Unlängst ist dem Wirten der Kragen geplatzt. Und wenn ihm der Kragen platzt, dann fängt er an, auf Kroatisch zu schimpfen. Die Wirtin mag das gar nicht, denn irgendwas mit „jebem“ – oder der Befehlsform „jebi“ – kommt darin praktisch immer vor. Die Wirtin bevorzugt im Fall des abgesprengten Kragenknopfes das Ungarische. Das freilich treibt es auch recht drastisch. Nicht selten murmelt sie dann ein „lófasz“ Richtung Wirt. So eben auch unlängst.

„Wer dreisprachig fluchen kann“, griff der blaurote Methusalem den wirtsinternen Disput geschickt auf, „hat schon einen großen Schritt ins Pannonische hinein getan.“ Gerade das Schimpfen, das Fluchen, das Nameln öffnet die Tür zum Kräutergarten der jeweiligen Sprachen. Hier wachsen die Gewürze, mit denen die Sprache zur Kultur veredelt wird. In der Schimpfecke kann jeder hineinschmecken in die Vorstellungsräume der jeweils anderen. Der wegen seine G’scheitheit sogenannte Siebener wollte gerade dazu ausholen, die Verschiedenartigkeit dieser Räume im Detail zu beschreiben, aber er saß an einem pannonischen Tisch. Das Verb „jebati“ war uns mit all seinen möglichen – und unmöglichen – Objektvariationen durchaus bekannt. Ebenso wussten wir, dass „ló“ Pferd heißt. Und „fasz“ Schwanz. „Nicht aber Schweif“, erläuterte der ältere der zwei Jakobiner, der ein großer Freund der Schimpfworterei ist. Denn im Schimpfen, pflegt er zu sagen, verstellt sich die Sprache nicht. Heutzutage, da jeder herumzupft und herumschnipselt im Namen irgendwelcher Korrektheiten – „bis die Wörter aussehen wie die Buchsbaum-Garde im Schlossgarten von Fertőd“ –, sei das ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Beim Schimpfen und Nameln, da riecht das Kroatische fein nach Knoblauch und das Ungarische nach scharfem Paprika. „Und das Deutsche?“, fragte der jüngere Jakobiner. „Nach Majoran“, antwortete der Wirt, „jedenfalls hier bei uns im Burgenland.“

Es ist eine der Schönheiten Pannoniens, dass sich hier die Mehrsprachigkeit so weit erhalten hat, dass sie wiederbelebungsfähig scheint; all den Monokultur-Verirrungen – erst Richtung Ungarisch, dann Richtung Deutsch – zum Trotz. Der Wirt, sehr geschichtsaffin, erzählt gerne, dass einst jede und jeder von allen drei hier gesprochenen Sprachen zumindest ein paar Brocken kannte, sodass man einander halbwegs verstand. Das alles ist weitgehend verloren gegangen. „Aber das kommt wieder“, meinte der blaurote Methusalem. Vor allem das Ungarische ist schon fast unentbehrlich geworden. Gerade im Wirtshaus. Er machte die international gültige Geste mit dem kreisenden Finger über dem Tisch. „Még egyet“, bestellte er. „Koja je cauberwort?“, fragte die Wirtin. „Bitte!“, ergänzte der Blaurote pflichtschuldigst. Die Wirtin spitzte die Lippen: „Puszi a kékpirosnak.“ Der Blaurote spitzte, anmutig beinahe, zurück.