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Das burgenländische Haus des Miteinanders

Anlässlich der Errichtung des Hauses der Volksgruppen in Oberwart hat sich Mein Burgenland die historischen Wurzeln der heutigen Minderheiten der Ungarn, Kroaten, Roma und Sinti angesehen.

Das neue Haus der Volksgruppen in Oberwart soll planmäßig 2025 fertiggestellt sein © Fohringer

In Oberwart ist gerade ein neues „Haus der Volksgruppen“ im Entstehen. Es ist ein Symbol für die multikulturelle Vergangenheit des Burgenlandes und ein Auftrag für ein gedeihliches Miteinander. Jüngst wurde im Beisein von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, Landesimmobilien-Chef Gerald Goger und Volksgruppenvertretern der Generalplan für das Vorhaben vorgestellt. LH Doskozil sprach dabei von einem „Jahrhundertprojekt“, das „ein neues Zuhause der im Burgenland beheimateten, autochthonen Volksgruppen“ sein wird. Mein Burgenland hat sich anlässlich dieses Projekts die historischen Wurzeln der Burgenland-Kroaten, Burgenland- Ungarn und Burgenland-Roma und -Sinti angesehen. 

„Das Volksgruppenhaus wird mit zwei Millionen Euro aus der Jubiläumsgabe finanziert, die das Burgenland von der Republik Österreich 2021 erhalten hat.“

Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann

Die ungarische Sprachgruppe

Die Sprachgruppe der burgenländischen Ungarn beläuft sich auf rund 10.000 Personen. Bis zum Anschluss des Burgenlandes an Österreich wurde Ungarisch an allen Schulen des Burgenlandes unterrichtet, sodass viele Angehörige der deutschen und kroatischen Sprachgruppe auch über gute Ungarischkenntnisse verfügt haben. Der Kern der ungarischen Volksgruppe im Burgenland wurden zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert als „Grenzwächter“ des ungarischen Königreiches hier angesiedelt. Für diese Dienste wurden die Bewohner der Grenzwächtersiedlungen in den Stand der Kleinadeligen erhoben. Während der Reformationszeit wurden weite Teile der Bevölkerung Westungarns protestantisch. Als zu Beginn des 17. Jahrhunderts die adelige Grundherrenfamilie Batthyány wieder zum Katholizismus zurückkehrte, wurden die Ungarn Ziel der Gegenreformation.

Nach der Beilegung der Glaubenskämpfe wurde den Protestanten das Recht auf eigene Kirchen zugesprochen und Oberwart wurde zu einem Zentrum des westungarischen Calvinismus. In der Revolution 1848 unterstützten die burgenländischen Ungarn den Aufstand gegen Wien. Nach der Niederschlagung der Revolution förderten der Wiener Hof und die Kirche die Verwendung der Minderheitensprachen, während die Budapester Regierung die ungarische Staatssprache durchsetzen wollte. Gegen die im Staatsvertrag von St. Germain beschlossene Abtretung des Burgenlandes an Österreich mobilisierten ungarische Nationalisten unter vereinzelter Beteiligung burgenländischer Ungarn. In den Jahren 1921 bis 1938 sah sich die ungarische Sprachgruppe des Burgenlandes zum ersten Mal mit der Tatsache konfrontiert, eine Minderheit in einem deutschsprachigen Nationalstaat zu sein.

Die kroatische Sprachgruppe

Die Sprachgruppe der burgenländischen Kroaten wurde im 16. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Burgenlandes angesiedelt, als kroatische Bauern vor den herannahenden Türken flüchteten und von adeligen Grundherren aufgenommen wurden. Die rund 30.000 im Burgenland angesiedelten Kroaten machten im 16. Jahrhundert rund 30 Prozent der Landesbevölkerung aus. Der Großteil der Einwanderer waren Bauern, aber unter ihnen gab es auch Priester, Handwerker, Händler und Adelige. Weinbau und Weinhandel, Getreideanbau und Viehzucht bildeten jahrhundertelang die wirtschaftliche Grundlage der burgenländischen Kroaten. Die Herausbildung einer eigenständigen Kultur der burgenländischen Kroaten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde durch die Zentralregierung in Wien gefördert. Unter dem Eindruck der ungarischen Revolution von 1848 versuchte Wien das liberale, antihabsburgische Lager in Ungarn zu schwächen. Dabei bedienten sie sich in erster Linie der Hilfe der katholischen Priesterschaft aus den Reihen der Burgenland-Kroaten.

In die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt auch die Gründung zahlreicher kroatischer Vereine, die sich der Pflege des kroatischen Brauchtums und Volksliedes widmeten. Zahlreiche Liederbücher haben das vielfältige Volksliedgut der burgenländischen Kroaten bis heute lebendig erhalten.

Die Sprachgruppe der Roma und Sinti

Wie viele Roma und Sinti heute im Burgenland oder in Österreich leben, lässt sich nur schätzen. Die Minderheit zerfällt sprachlich und kulturell in mehrere Gruppen. Die am längsten hier ansässige Gruppe bilden die sogenannten Burgenland-Roma, die seit dem 16. Jahrhundert im Gebiet des Burgenlandes siedeln. Die ersten Sinti kamen aus Böhmen und Bayern nach Österreich.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Roma im Burgenland grausamst verfolgt. In vielen Orten kam es zum sogenannten „Zigeunerjagen“ und 1726 verfügte Kaiser Karl IV., dass alle männlichen Roma hinzurichten und Frauen sowie Kindern ein Ohr abzuschneiden sei. 1733 wurde verfügt, dass Roma-Eltern ihre Kinder weggenommen und christlichen Familien zur Erziehung übergeben werden sollten.

Trotz dieser widrigen Umstände dürften bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 3.000 Roma auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes sesshaft geworden sein. Während des Ersten Weltkrieges wurden allen wandernden Roma die Zugtiere und Wagen abgenommen und dem Militär übergeben. Pferde, Maultiere und Esel durften nur noch mit polizeilicher Genehmigung gekauft werden.

Sofort nach dem Anschluss Österreichs an NSDeutschland 1938 setzte die Verfolgung der Roma durch die Nationalsozialisten ein. Allein unter den 20.000 in Auschwitz ermordeten Sinti und Roma waren 2.760 Österreicher. Von den rund 7.000 Roma des Burgenlandes haben nur rund 800 den Holocaust überlebt. Die Roma und Sinti blieben bis in die jüngere Vergangenheit Ausgrenzung und Diskriminierung ausgesetzt.