Kolumne
Qual der Wahl – oder so

Ein Pendlerleben
Immer wenn die amtliche Wahlinformation eintrudelt, freue ich mich unverhältnismäßig über diesen großen, kleinen Zettel. Ich darf wählen. Und natürlich werde ich es. Im Burgenland darf ich nicht wählen, und nun frage ich mich: Definiert das auch mein Zuhause? Also ist mein Zuhause nicht automatisch dort, wo ich mitbestimmen darf? Wählen zu dürfen heißt, gefragt zu werden. Teil zu sein. Ein Kreuz zu machen und damit zu sagen: Ich bin da. Ich bin ein Teil dieser Stadt, dieses Landes, dieser Zukunft.
Aber was ist mit denen, die hier leben, hier arbeiten, Kinder großziehen, Steuern zahlen – und nicht gefragt werden? Die auf denselben Straßen gehen, dieselbe U-Bahn nehmen, dieselbe Luft atmen. Nur eben ohne Stimmzettel. In Wien darf jede fünfte Person bei dieser Wahl nicht mitentscheiden. Nicht, weil sie nicht will. Sondern weil sie nicht darf. Und dann gibt es viele, die von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch machen. Weil es nicht dringend scheint. Weil der Alltag lauter ist. Oder weil sie denken, ihre Stimme mache keinen Unterschied.
Dabei ist sie ein Privileg. Ein Stück Zuhause auf Papier. Wenn dieser Text erscheint, habe ich mein Kreuz also gemacht. Und vielleicht frage ich mich deshalb so sehr, wer alles keinen Stift in der Hand hatte – obwohl sie längst dazugehören. Und hoffe, dass sie es das nächste Mal dann doch tun.
Eine Kolumne von Saskia Jungnikl-Gossy.