Morgen

Es geht darum, dass es unserer Paula gut geht

Das burgenländische Modell der Anstellung von Pflegeeltern ist einzigartig. Und es schenkt Kindern einen ganz neuen Start, wie ein Besuch bei der Familie Pamer zeigt. 

© Christoph Fertl

Was ist denn los, mein Schatz?“, fragt Jochen Pamer liebevoll die kleine Paula*, die sich – halb schüchtern und halb neugierig – in der großen Liege im Garten hinterm Haus versteckt. „Komm doch her zu uns“, sagt Alexandra Pamer und winkt der bald Dreijährigen lächelnd zu. Die Pamers, das sind die 48-jährige Alexandra, der 49-jährige Jochen, der 26-jährige Marcel aus erster Ehe von Alexandra Pamer und das Nesthäkchen, die quirlige Paula. (Und Paula würde sicher darauf Wert legen, dass hier auch die drei Katzen Minnie, Daphne und Gundel als vollwertige Mitglieder der Familie genannt werden.)Die kleine Paula ist eine der Pamers, obwohl sie einen anderen Nachnamen trägt. Rechtlich ist das so vorgesehen, wenngleich sie seit ihrem zehnten Lebenstag bei den Pamers als Mitglied der Familie lebt.

Eine (fast) ganz normale Familie

Die Pamers sind eine ganz normale burgenländische Familie. Und wie viele Familien hat auch diese eine ganz spezielle Story. Eine Story, die Glück und Leid, Trauer und Freudentränen in sich vereint. Und es ist eine Story, die nur deshalb möglich ist, weil ein von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil initiiertes Programm Pflegekinder wie Paula und ihre Familien zu 100 Prozent unterstützt. Mit Jänner 2022 wurde das bewährte Anstellungsmodell des Landes Burgenland auch auf Pflegeeltern und -personen ausgeweitet. Das bedeutet einerseits finanzielle Sicherheit und Versicherung für die Eltern und damit einhergehend die ungeteilte Aufmerksamkeit auf den bedeutendsten 24-Stunden-Job der Welt: das Elternsein.

„Es ist super, dass das Kind eine familiäre Einbindung bekommt und man dazu auch finanziell unterstützt wird.“

Dieses einzigartige Programm des Landes, angesiedelt bei den Sozialen Diensten Burgenland, schafft eine Winwin-Situation. Oder eigentlich sogar eine Win-win-win- Situation. Es profitieren die Pflegeeltern, weil sie nicht Almosen, sondern echte Unterstützung erhalten. Es profitiert das Pflegekind, weil es nicht – wie leider vielerorts der Fall – zwischen Einrichtungen hin und her geschoben wird, sondern stabil als vollwertiges Mitglied einer Familiemaufwachsen kann. Und es profitiert auch das Land, weilmdieses Modell beste Betreuung mit vergleichsweise wenignbürokratischem und ökonomischem Aufwand garantiert. Genau das ist auch die Meinung von Alexandra und Jochen Pamer: „Wenn du einem Kind eine familiäre Einbindung ermöglichen kannst, ist das natürlich das Beste.

Wir feiern gemeinsam als Familie Geburtstag, Weihnachten, Paula hat ihre Oma, ihren Bruder und ihre Cousins und Cousinen. Im Endeffekt ist es auch vollkommen egal, wie der Start war; das ist nur ein chemischer Vorgang. Je länger das Pflegekind bei dir ist, umso mehr spürst du es: Das ist dein Kind. Rechtlich mag es ein paar Unterschiede geben, aber emotional ist es dasselbe.“

 

Viel Geduld und bedingungslose Liebe

Seit nunmehr fast drei Jahren ist das Bald-Kindergartenkind Paula bei ihren Pflegeeltern. Begonnen hat alles mit einer Entscheidung – und einem Anruf, der die Welt aller Beteiligten binnen 24 Stunden auf den Kopf gestellt hat. „Wir haben uns im zweiten Anlauf gefunden und verliebt und wollten noch ein gemeinsames Kind“, erzählen die Pamers: „Weil das biologisch nicht mehr so ganz geklappt  hat, gab es ein paar Gespräche zum Thema Adoption.“ Nachdem die Pamers dann das gesamte Prozedere bei der Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Jugendwohlfahrt – inklusive diverser Beurteilungen, Untersuchungen und Kurse – durchlaufen haben, hat es für sie dann eigentlich nur eines gegeben: warten. Mehr als ein Jahr lang. Bis dann der Anruf gekommen ist: „Ich weiß noch, es war ein Montag, da hat es geheißen, wir suchen für ein Mädchen ein neues Zuhause. Und am Dienstag war Paula dann schon bei uns. Aber das haben sie immer gesagt, das ist so, das geht dann relativ schnell“, erinnert sich Jochen. Gerade am Anfang, so offen sind die Pamers, schwingt natürlich auch Angst und Unsicherheit mit. Wird uns das Kind bleiben? Wollen es die leiblichen Eltern eines Tages zurück oder können wir es adoptieren? Will das Kind gar einmal selber weg?

Es ist ein langer und komplexer Weg zur Dauerpflege. Bei wichtigen Lebensstationen wie z. B. der Taufe haben die leiblichen Eltern nach wie vor ein Mitspracherecht. „Darauf muss man sich eben einlassen, wenn man sich zu diesem Schritt entscheidet“, sagt Pflegemama Alexandra. „Wir haben es keine Sekunde bereut, dass wir uns für diesen Weg entschieden haben“, pflichtet ihr Pflegepapa Jochen bei. Ein besonderer 24-Stunden-Job mit Zeitaufzeichnung Für ihren Einsatz als Pflegeeltern gibt es vom Land ein geregeltes Einkommen und sozialrechtliche Absicherung. Und zwar so lange, wie die Eltern im Auftrag der Kinderund Jugendhilfe mindestens ein Pflegekind betreuen.

Ein besonderer 24-Stunden-Job mit Zeitaufzeichnung

Für ihren Einsatz als Pflegeeltern gibt es vom Land ein geregeltes Einkommen und sozialrechtliche Absicherung. Und zwar so lange, wie die Eltern im Auftrag der Kinderund Jugendhilfe mindestens ein Pflegekind betreuen. (Das neue Anstellungsmodell ermöglicht übrigens auch die Betreuung von unbegleiteten Flüchtlingskindern.) Dass die Aufnahme von Pflegekindern aber natürlich keine Geldfrage sein soll, ist den Pamers ganz besonders wichtig: „Ich habe natürlich auch zu hören bekommen, dass das ja eine praktische Sache sei, um ganz einfach gutes Geld zu bekommen. Aber das ist einfach lächerlich, denn es geht einzig und allein darum, dass es unserer Paula gutgeht“, sagt Alexandra Pamer. Mit einem Lächeln fügt sie hinzu: „Und derjenige, der sagt, dass ein Kind großzuziehen eine einfache Sache ist, der hat ganz sicher keine Kinder.“ Ihr Mann Jochen ergänzt lachend: „Wir müssen ja auch eine Zeitaufzeichnung für unseren ‚Job‘ führen – ich schreibe über die gesamten Zeilen jeden Monat ‚Betreuung von Paula‘. Denn das ist es, was Elternsein ausmacht: ganz und gar da zu sein für diesen kleinen – oder auch bereits größeren – Menschen, der einem zu hundert Prozent vertraut.“

* Name von der Redaktion geänder

 

Reportage: Florian Fuchs

 

 


Der Weg zur Pflegefamilie


Anlaufstelle für Interessierte und Informationen ist das Pflegeservice der Sozialen Dienste Burgenland

  • www.pflegeserviceburgenland.at/infos/fuer-pflegeeltern
    E-Mail: office@pflegeserviceburgenland.at
    Pflegeberatungstelefon: +43/57 600-1000
  • Persönliche Beratung: Petra Michtich, Ansprechpartnerin Pflegeeltern
    E-Mail: petramaria.michtich@pflegeserviceburgenland.at
    Tel. +43/5 79 79-36398

Diese Voraussetzungen gelten für Langzeit- und Krisenpflegepersonen

  • Hauptwohnsitz im Burgenland
  • Betreuung von burgenländischen Pflegekindern
  •  Bestätigung der Eignung durch die örtliche Bezirkshauptmannschaft (BH)
  •  Maximal vier Betreuungskinder (leibliche Kinder, Stief-/Adoptivkinder und Pflegekinder)
  • Krisenpflege kurzfristig bis zu sechs Monate

Verschiedene Möglichkeiten der Betreuung

  • Eine Krisenpflegefamilie kümmert sich auf Zeit um ein Kind, wenn es akut einen sicheren Ort zum Bleiben braucht.
  • Bei der Langzeitpflege ist das Kind im Normalfall einige Jahre, oftmals bis zur Volljährigkeit bei seiner Pflegefamilie untergebracht.
  •  Das Pflegemodell wird seit heuer bei der Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen mit denselben Konditionen angewendet.
  • Pflegeeltern werden in jedem Fall beim Land Burgenland angestellt, sind sozialversichert und erhalten ein nach Anzahl der Kinder gestaffeltes Gehalt.